Neuigkeiten: Die Schule des Lebens und die Evaluation der Schulbegleitung
"Demokratie und Schule hängen eng zusammen. Die internationale Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) lobt Deutschland bei der Integration besonders für die wirksamen Bildungsangebote. Was bei Integration gut ist, gilt auch für Menschen mit Behinderungen. Viele schimpfen zwar auf das Hamburger Schulsystem, gerade auch in unseren Kreisen der Familien mit Behinderungen. Doch vor zwei Wochen war ich ganz froh gestimmt: Die Schulen in Hamburg sind eben schon Orte der Bildung für ein "Ja!" zur Demokratie. Zumindest habe ich das Hamburger Wahlergebnis so wahrgenommen. Nennt mich eine ewige Optimistin. Aber die vielen Programme für gleichberechtigte (Bildungs-)Chancen in Hamburg der letzten Jahre zeigen Wirkung. Das ermutigt uns im Elternverein, den Einsatz für junge Menschen mit Behinderung und ihre Bildung zu verstärken: Teilhabe für alle, und zwar gerade da, wo es schwierig ist.
Denn viele Schüler*innen benötigen Assistenz für ihr Lernen in der Schule. Dafür hat Hamburg als Vorreiterin in Deutschland ein Modell der Schulbegleitung aufgesetzt, bei der die Schulbehörde mit den Schulen die Assistenz verabredet, die in den Förderplänen konkretisiert wird. Für soziale Leistungen wie die Eingliederungshilfe bleibt, wenn es gelingt, durch die Versorgung in den Schulen, kein Anspruch.
Das Modell erntet Lob, z. B. vom Deutschen Verein. Es kann Eltern entlasten, wirtschaftlicher sein, als dazu bestellte Assistenzen, die wohlmöglich Zusammengehörigkeitserfahrung eher verhindern. Alles ist gut, wenn das Personal da ist, wo es gebraucht wird und mehr nicht. Doch genau darum geht natürlich im Einzelfall oft der Streit. Seit 2021 untersuchte nun die Universität Oldenburg die Schulbegleitung in Hamburg. Ist das ein Modell der Zukunft? Was fehlt dafür?
Das Ergebnis findet man seit einigen Tagen im Transparenzportal Hamburg. Das ist schon klasse, dass die Schulbehörde so transparent mit der Entwicklung umgeht (siehe oben zu Demokratie und Schule). Aus dem Bericht der Universität ergeben sich Hausaufgaben für die Hamburger Schulbehörde:
- Ein vorgelagertes Organisieren der Schulbegleitung von Behörde und Schulen erfordert eine gestützte Datenlage. Diese lag im letzten Jahr noch nicht vor.
- Ein vorgelagertes System, das Familien entlastet, darf die Rechte der jungen Menschen auf Eingliederungshilfe nicht umgehen. Nur wenn das vorgelagerte System die Bedarfe deckt, haben Schüler*innen keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch IX mit einem entsprechenden Antrags- und Verwaltungsverfahren. Das ist in Hamburg bis zum heutigen Tag nicht ausreichend gesichert und transparent.
- Die Arbeitsbedingungen für Schulbegleitungen müssen verbessert werden; wir denken hier besonders auch an eine tarifliche Entlohnung.
- Seit dem 1.1.2024 gibt es in Hamburgs Sozialbehörde Verfahrenslotsen, die junge Menschen mit Behinderung und ihre Familien zu ihren Rechten und Verfahren beraten. Die Verbindung zum Recht auf Bildung in Schule und Assistenz (zur Behörde und zu den Schulen) muss klar sein.
- Die Evaluation begrüßt schulische Lösungen für die Assistenzbedarfe; Unterstützung von jungen Menschen mit Behinderung ist auch etwas für (Fach-)Lehrpersonal und alle in den Schulen. Zugleich betont die Evaluation, dass die Personen dazu geeignet sein müssen, Bedarfe zu decken. Das erfordert Fortbildungen, Team-Besprechungen, Einarbeitung. Dies ist bisher nicht ausreichend gesichert.
- Alle - Behörde, Schulen, Einbeziehung Familien usw. - müssen besser zusammenarbeiten; für die Zusammenarbeit muss es klare Regeln geben.
Wir im Elternverein bleiben dran an diesen Fragen und setzen uns für Antworten ein - im Überblick und auch im Einzelnen für die Mitgliedsfamilien. Denn das ist klar, unabhängig davon, ob Kinder mit Behinderung in der Inklusion sind oder auf einer speziellen Sonderschule: Das, was Schüler*innen zum Sein und Lernen in der Schule benötigen, muss gewährleistet sein.
Das wird das Thema in unserem nächsten Elterngesprächskreis schulische Bildung und Inklusion sein, der am 11. September 2024 um 19.30 Uhr stattfindet. Wir werden Schulsenatorin Ksenija Bekeris zu Gast haben. Bitte melden Sie sich an zu dem Termin für eine gute Vorbereitung. Vielen Dank!
Kerrin Stumpf