Neuigkeiten: Schule und Inklusion in Hamburg: Ein Interview mit Kerrin Stumpf
Der Hamburger Senat schreibt fest, dass ‚Menschen mit Behinderung unabhängig von körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen [ …] in allen Bildungsbereichen von der frühkindlichen über die vorschulische, schulische und berufliche Bildung bis hin zur Erwachsenenbildung, an Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe partizipieren‘ sollen. Im Schulausschuss wurde der jährliche Bericht über die Fortschritte der Umsetzung besprochen. Was zeigt dieser?
Erst einmal drücken wir als Elternverein unseren Dank für die Einladung in den Schulausschuss aus. Sie zeigt, dass die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den Eltern besteht. Der Abschlussbericht zeigt den Systemwechsel in Hamburg, von einer Welt der „Sonderschulen“ hin zu einem inklusiven Schulsystem. Hamburg sichert allen jungen Menschen mit Behinderung eine inklusive Schulbildung zu. Das erfordert Fachlichkeit und Ressourcen, neue Qualität und viel Zusammenarbeit. Hier ist in den letzten Jahren Enormes von den Beteiligten geleistet worden, etwa bei der Barrierefreiheit im Schulbau, der Beratung in den regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZs) oder der Zusammenarbeit mit dem Landesinstitut für Lehrerbildung. Dies sind Errungenschaften, um die uns viele in den anderen Bundesländern beneiden.
Befinden wir uns damit auf einem guten Weg der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention?
Das Hamburger Schulsystem bietet formal ein Rundumpaket, wie das inklusive Bildungssystem des Art. 24 der UN-Behindertenrechtskonvention es vorsieht: Die individuelle Förderung wird in der jeweiligen Schule bedarfsgerecht erbracht. Wir müssen aber befürchten, dass die Theorie in der Praxis oft nicht so umgesetzt wird: Der Bericht des Senats zeigt, dass fast 50 Prozent der Stellen für sozialpädagogische Assistent*innen und Erzieher*innen aktuell nicht besetzt werden können. Dann gilt der individuelle Anspruch auf Assistenz zur Teilhabe, die Unterstützung bei der Schul- und Unterrichtsbeteiligung. Wir begrüßen erst einmal, dass Hamburg die Schulbegleitung nur als Kompensation organisiert. Aber das System bedarf einer weiteren konzeptionellen Entwicklung zur Umsetzung des Systemwechsels.
Wo sollte der Senat aus Sicht des Elternvereins noch handeln, damit ein vollständiger inklusiver Bildungszugang Realität wird?
Wir Eltern und Sorgeberechtigten werden immer wieder mit unseren Erfahrungen angehört. Etwa, wenn wir mit den Schulverantwortlichen bei Veranstaltungen sprechen können, wie beim Besuch der Schulsenatorin Ksenija Bekeris beim Elterngesprächskreis schulische Bildung und Inklusion am 11. September. Was aber nach Artikel 4 ff. der UN-Behindertenrechtskonvention noch fehlt, ist eine systematische Interessenvertretung. Die dadurch verstärkte Zusammenarbeit fördert mehr Qualität in der Umsetzung und sollte im Kontext von Paragraf 12 des Schulgesetzes verankert werden.
Wir erwarten eine Zusammenarbeit in Gremien, mit sozialrechtlichen Beratungsstellen, den EUTB® in den Bezirken nach dem SGB IX und den Verfahrenslotsen nach dem SGB VIII. Hamburg muss die Schnittstelle zu sozialen Rechten besser ausloten.